Steuerberater*innen „predigen“ es täglich. Wie wichtig Buchhaltung für dein Unternehmen ist und dass Selbstständige den Überblick über ihre Zahlen behalten sollten.
Und?
Buchhaltung und Steuern scheinen für viele Unternehmer*innen trotzdem wie ein lautes Störgeräusch im Hintergrund zu sein.
„Steuer? Ja, müsste man mal.“
„Buchhaltung? Hab ich keine Zeit, erst noch dies und jenes….“
Frage an dich:
Was braucht es, damit du Steuer und Buchhaltung zur Priorität in deinem Unternehmen machst?
Vielleicht ein Negativ-Beispiel. Was passieren kann, wenn du die Themen Steuer und Buchhaltung ignorierst. Ich mag eigentlich Negativ-Beispiele nicht. Aber leider erlebe ich solche oder ähnliche Situationen häufig in meinem Alltag mit Mandant*innen.
In diesem Blogartikel erzähle ich dir daher von Kristin, einer Unternehmerin, für die Steuer und Buchhaltung auch nur „Störgeräusche“ im Hintergrund waren.
The Struggle is real – Gründung und Wachstum
Kristin gründet ihr Coaching-Business.
Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, Termin beim Steuerberater, Website, Instagram-Kanal… alles was dazu gehört.
Erst mal als Kleinunternehmerin.
„Ist sicherer“.
Im ersten Jahr generiert sie fast keine Umsätze, sie kämpft um Sichtbarkeit, definiert ihre Zielgruppe mehrfach neu und beginnt einige Male von vorn. Vom wenigen Geld, das monatlich rein kommt, kann sie kaum ihre Altersvorsorge stemmen, geschweige denn Rücklagen für die Steuer bilden. Wie auch?
Aber aufgeben ist keine Option.
„Wird schon irgendwie.“
Erster Dämpfer:
Steuerzahlung für das erste Jahr in Höhe von 1,5k EUR.
Ist nicht viel, aber Steuerrücklagen gibt es ja keine. Die gehen also vom Sparkonto ab, das in den letzten Monaten eh schon mächtig geschröpft wurde.
Sichtbarkeit – endlich läuft es einigermaßen
Im zweiten Jahr ihrer Selbstständigkeit gönnt Kristin sich mehrere Weiterbildungen, arbeitet an ihrem Money-Mindset, stärkt ihr Selbstwertgefühl, erhöht ihre Preise und kann ihre Community auf Instagram laaaangsam vergrößern.
Sehr mühsam alles.
Aber aufgrund ihrer besseren Positionierung fällt es ihr leichter, Angebote zu entwickeln, die für ihre Community WIRKLICH relevant sind. Sie erstellt ihren ersten Onlinekurs. Der kommt gut an.
„Gott sei Dank!“
Dazu arbeitet sie einige Mini-Produkte aus und entwickelt ein neues Coaching-Programm, dessen Preis sie im vierstelligen Bereich ansetzt. Das Programm wird tatsächlich auch einige Mal gebucht.
„Endlich ist mehr Geld auf dem Konto!“
Endlich muss sie nicht mehr knapsen und endlich kann sie sich den neuen Computer kaufen, der längst überfällig ist. Sie gönnt sich auch das hochpreisige Mindset-Coaching, mit dem sie seit Monaten liebäugelt.
Geld für die Steuer legt sie nicht beiseite, denn sie tätigt ja vierteljährliche Vorauszahlungen für die Einkommensteuer, welche das Finanzamt festgesetzt hat.
Sie hat einen ungefähren Überblick über ihre Zahlen und weiß, dass sie nächstes Jahr vermutlich in die Regelbesteuerung wechseln muss. Also Termin beim Steuerberater, um den Wechsel zu besprechen.
Leider steigt mit dem laufenden Business auch die Arbeitsbelastung und sie arbeitet ständig an und bis über ihre Kapazitätsgrenze. Tage müssten 48 h haben – Kundenbetreuung, Social Media, Content-Erstellung, 1:1 Coachings etc.
Sie stemmt alles alleine, einige Dinge fallen dadurch leider hinten runter.
Buchhaltung zum Beispiel.
So versäumt sie es leider, sich einen richtigen Überblick über ihre Einkünfte und Ausgaben zu verschaffen.
Steuererklärung nach Jahresende:
Der Steuerberater stellt fest, sie hat die Rechnungseinstellungen in der Onlinekursplattform nicht korrekt vorgenommen und das ganze Jahr falsche Rechnungen an Kund:innen im Ausland gestellt. Rechnungen mit ausländischer Steuer. Diese schuldet sie nun im Ausland.
„Ein Riesenschlamassel!“
Und:
Einkommensteuerzahlung 8,5k EUR. Das ist ein bisschen mehr, als sie dachte. Die Vorauszahlungen belaufen sich auf 1,5k EUR. Sie muss 7k EUR nachzahlen. Das lässt sich verkraften und fällt nicht weiter ins Gewicht.
Leider kommt noch die Gewerbesteuer hinzu: 1,7kEUR. Damit hatte sie gar nicht gerechnet.
Sie muss insgesamt 8,7k EUR nachzahlen. Das lässt sie schlucken.
Glücklicherweise ist jetzt etwas Geld auf dem Konto und sie kann die Zahlung stemmen.
Umsatzsteigerung – Endlich macht sie richtig Gewinn
Im dritten Jahr ihrer Selbstständigkeit baut Kristin ihre Community weiter aus, gewinnt Selbstbewusstsein durch ihre gut laufenden Angebote und erhöht weiter die Preise.
Sie überarbeitet ihren Onlinekurs, launcht diesen mehrmals im Jahr und macht damit fünfstellige Umsätze. Auch ihr hochpreisiges Coaching-Angebot läuft gut.
Sie hat zur Regelbesteuerung gewechselt und berechnet nun inklusive Umsatzsteuer.
„Wunderbar, endlich läuft der Laden.“
Das Finanzamt hat ihre Einkommensteuervorauszahlungen hochgesetzt und sie tätigt jetzt Vorauszahlungen für die Gewerbesteuer. Also alles im sicheren Bereich. Zusätzlich legt sie etwas Geld für eventuelle Nachzahlungen beiseite.
Mit dem Umsatz steigt leider auch die Arbeitsbelastung. Kristin arbeitet rund um die Uhr und weiß überhaupt nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Nach und nach beginnt sie, sich ein Team aufzubauen, damit sie entlastet ist. Das Team muss leider auch koordiniert werden. Irgendwie fehlen noch richtige Prozesse und Strukturen.
Aufgrund der fehlenden Zeit fällt Buchhaltung wieder einmal hinten runter. Kristin hat keinen richtigen Überblick über ihre Zahlen. Ihre Buchhaltung ist recht komplex geworden. Fünfstellige Monatsumsätze, auf der anderen Seite Personalkosten. Eigentlich bräuchte sie professionelle Unterstützung.
„Nächstes Jahr kümmere ich mich dann richtig.“
Wird schon passen.
Ihre Steuererklärung für das dritte Jahr ihrer Selbstständigkeit reicht sie über den Steuerberater erst im Oktober des Folgejahres ein.
Ernüchterung und hohe Nachzahlung
Bähm – durch die Gewinnsteigerung ist sie in einen höheren Steuersatz gerutscht.
Einkommensteuerzahlung in Höhe von 42k EUR. Dazu Gewerbesteuer in Höhe von 10,5kEUR.
Ihre Vorauszahlungen belaufen sich auf etwa 9k EUR. Sie muss also etwa 43k EUR nachzahlen!
Dazu werden die Vorauszahlungen für das laufende Jahr hochgesetzt, nochmals 13k zusätzlich für jedes Quartal, die auch kurzfristig zu zahlen sind.
Kristin muss also 43k EUR für das vorhergehende Steuerjahr nachzahlen plus Vorauszahlungen in Höhe von 52k für das aktuelle Jahr leisten, da sie die Steuererklärung erst im Oktober eingereicht hat.
Sie muss also Zahlungen in Höhe von 95k EUR leisten.
Sie ist vor den Kopf gestoßen.
„Lohnt sich das alles?“
So viel Geld. Kristin hat so schwer gearbeitet, um mit ihrem Business Erfolg zu haben. Die Zahlungen reißen ein tiefes Loch in ihre Kasse und sie ist demotiviert.
5 Tipps, wie du Nachzahlungen in dieser Höhe vermeidest.
Leider geht es ganz vielen Unternehmer*innen wie Kristin. Sie informieren sich zu Beginn, holen sich auch Unterstützung.
Aus Unwissenheit wird trotzdem ganz viel nicht beachtet. Kristin dachte, sie sei gut vorbereitet. Sie hat sich zur Regelbesteuerung informiert und ihre Steuererklärung an einen Steuerberater übertragen.
Leider reicht es nicht aus, einmal jährlich die Steuererklärung zu erstellen, sondern du benötigst immer einen aktuellen Überblick über deine Zahlen, um Anpassungen vornehmen zu können. Auch während des Jahres.
5 Tipps, wie du böse Überraschungen vermeidest:
1. Mach Buchhaltung zur Priorität in deinem Unternehmen.
Halte sie stets aktuell und verschaffe dir monatlich einen Überblick über deine Zahlen. Trag dir Buchhaltung als festen Termin in deinen Kalender ein.
2. Prüfe regelmäßig, ob dein Gewinn des laufenden Jahres den des letzten Jahres übersteigt.
Passe eventuell deine Vorauszahlungen an oder lege zusätzlich Geld beiseite. Lies hierzu auch den Blogartikel Deine steuerlichen To-dos zu Ende Juni
Faustregel:
Steuerrücklagen in Höhe von 30% des Gewinns.
3.Reiche deine Steuererklärung zeitnah nach Jahresende ein
Damit du deine tatsächliche Steuerlast kennst und für das laufende Jahr vorbereitet bist.
4. Lagere deine Buchhaltung aus
wenn du keine Zeit dafür hast und unsicher bist. Oder eigne dir frühzeitig das nötige Wissen an. Sprich regelmäßig mit deinem Steuerberater und halte ihn bezüglich deiner Zahlen auf dem Laufenden.
5. Lass dich nicht demotivieren.
Mit der richtigen Planung und dem nötigen Wissen stellst du dein Unternehmen auf finanziell sichere Beine, ohne böse Überraschungen!
Disclaimer: Beispiel und Zahlen sind fiktiv.